WARUM GEWINN UND WACHSTUM AUCH FÜR DIE GESELLSCHAFT WICHTIGE WERTE SIND.

„In erster Linie ist die Aufgabe eines Unternehmens, sichere Arbeitsplätze zu bieten und im Rahmen des Wachstums zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Für die Gesellschaft erfüllen Unternehmen hier ein wichtiges Anliegen. Und natürlich ist diese Aufgabe mit Wachstum verbunden. Wenn bei den allgemein steigenden Kosten ein Unternehmen profitabel bleiben soll, um die Arbeitsplätze nicht zu gefährden, dann ist es zum Wachstum geradezu verurteilt, auch wenn das Gewinnstreben von Unternehmen gesellschaftlich kritisch hinterfragt wird.“

 

WARUM EIN WACHSENDES UNTERNEHMEN JUGENDLICH BLEIBT.

„Unternehmen sind etwas Lebendiges. Und wie alles Lebendige haben sie einen Lebenszyklus. Der Maler Giovanni Segantini hat das in der Trias vom „Werden, Sein, Vergehen“ dargestellt und immer wieder weise ich auf die Symbolkraft hin, die ich in den Gemälden auch für Unternehmen erkenne. In der Wirtschaftsgeschichte gibt es viele erstklassige Unternehmen, die gestrotzt haben vor Wachstum und Gewinnen und doch nach einer Phase des Werdens und Seins vergangen sind. Ich möchte mein Unternehmen möglichst lange im Zustand des Werdens erhalten. Denn Werden bedeutet Jugenlichkeit. In einem Unternehmen ist man umgeben von jungen Leuten, die stürmen, die voran wollen, die etwas unternehmen. Ich möchte vermeiden, dass die Würth-Gruppe in die Phase des Seins übergeht, in der nur noch Häkchen gesetzt werden und alles wie in einer staatlichen Behörde sauber administriert wird.“

 

KANN ES EIN WACHSTUM OHNE ENDE GEBEN?

„Die Frage des Kapitalismus, der auf Wachstum setzt, ist noch nicht final beantwortet. Es ist ja klar: Wachstum kann nicht bis in alle Ewigkeit weitergehen. Irgendwann muss es enden. Aber das Unternehmen Würth soll noch lange in der Phase des Werdens bleiben, das sehe ich als meine zentrale Aufgabe an, die ich noch aus dem Hintergrund wahrnehme: Die Verkalkung des Unternehmens noch lange fernzuhalten.“

 

WARUM GEWINNE NICHT ALLES UND WERTE EINE MARKE SIND.

„Kunst und Kultur prägen die Werte des Unternehmens Würth – das hat weitreichend ein positives Image geschaffen. Von Würth spricht man nicht nur im Wirtschaftsteil von Zeitungen, sondern auch im Feuilleton. Wir haben einen weiteren Blick in die Welt und wir blicken nicht nur fanatisch auf unsere Produkte, auf Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung. Kunst und Arbeit sind bei uns ineinander verwoben und viele unserer Mitarbeiter, die zuvor niemals mit Kunst in Berührung kamen, erleben sie nun unmittelbar. Ich bin stolz darauf, wenn Menschen, die ich gar nicht kenne, mir spiegeln, dass wir einen nicht unbeträchtlichen kulturellen Beitrag für die Region leisten. In unserer ländlichen Gegend, fernab der großen Metropolen, lässt es sich mit einem erstklassigen kulturellen Angebot gut leben.“

 

WARUM DIE GESELLSCHAFT KUNST UND KULTUR BRAUCHT.

„Kunst und Kultur ist ein enormes Bindeglied zwischen den gesellschaftlichen Bereichen. Museen, zumal unsere, in denen der Eintritt frei ist, stehen der ganzen Gesellschaft offen. Hier sind alle Bürger gleich. Es spielt keine Rolle, welchen gesellschaftlichen Status jemand hat. Insofern hat die Kunst und Kultur eine verbindende Aufgabe und Rolle. Ohne Kultur wäre die Republik aggressiver. Es geht nicht um Wettbewerb und es ist eine Umgebung der Mäßigung. Es wird nicht gegrölt wie in einem Fußballstadion. Das Kraftmeierische bleibt außen vor.“

 

WARUM MAN ALS ERFOLGREICHER MENSCH NICHT DEN GROSSEN ZAMPANO SPIELEN SOLLTE.

„In meinen 70 Berufsjahren habe ich viele Karrieren und Betriebe gesehen, die groß geworden sind. Es ist unglaublich, wie Menschen mit zunehmender Macht oder durch Geld und Erfolg ihren Charakter verändern, ihre eigenen Freunde und Wurzeln nicht mehr kennen. Sie verlieren die Bodenhaftung. Arroganz ist eine der ekelhaftesten Charaktereigenschaften. Ich versuche in unserem Unternehmen durchzusetzen, dass wir unseren Erfolg nicht wie die großen Zampanos heraushängen, sondern dass wir unser Hüttlein im Tal bauen.“

 

WARUM ERFOLG IMMER ZWEI SEITEN HAT.

„Ich habe den Betrieb mit zwei Mitarbeitern 1954 übernommen und heute zählen wir weltweit über 78.000 Mitarbeiter zur Würth-Gruppe. Nie hätte ich es alleine schaffen können. Ich bin auf alle dringend angewiesen und ihnen gilt mein Dank. Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite ist die Frage, was gewesen wäre, wenn es mich nicht gegeben hätte. Das müssen andere beantworten. Aber so ganz unbeteiligt bin ich sicher nicht, wenn ich das in aller Bescheidenheit sagen darf.“

 

WARUM EIN UNTERNEHMEN NICHT AUF JEDEN WANDEL REAGIEREN MUSS.

„Es gibt Veränderungen, bei denen plädiere ich dafür, traditionell zu agieren und den Wandel der Zeit als Mode gelassen vorüberziehen zu lassen, zum Beispiel den Verzicht auf Krawatten auf oberster Führungsebene, um eine gewisse Lässigkeit zu demonstrieren. Ich persönlich werde auf jeden Fall weiterhin die stilvolle Krawatte als Zeichen der Höflichkeit und der Unterscheidung von Beruf und Freizeit tragen.“

 

WARUM ES VERÄNDERUNGEN ZWISCHEN DER ÄLTEREN UND DER JÜNGEREN GENERATION GIBT.

„Es gibt spürbare Veränderungen zwischen Alt und Jung, die natürlich mit dem Wandel der Zeit zu tun haben. In meiner Jugend war das Land kaputt, jeder hat danach gestrebt, etwas Geld zu bekommen, um reisen zu können, ein Haus zu bauen, ein Auto zu kaufen. Heute wird viel vererbt, jeder hat eigentlich genug und das Geld ist nicht mehr so sehr der Motivator, sondern ein Hygienefaktor. Es muss stimmen, aber es hat nicht die Bedeutung. Wenn Mitarbeiter wählen können zwischen Lohnerhöhung und Freizeit pro Jahr, dann würde die Hälfte die Freizeit wählen. Das ist ein Trend, der im Unternehmen natürlich spürbar ist.“

 

WO EIN UNTERNEHMEN AUF DEN WANDEL DER ZEIT VORAUSSCHAUEND REAGIEREN SOLLTE.

„Es gibt Entwicklungen und Veränderungen wie die Digitalisierung, denen muss man sich natürlich stellen. Man braucht aber nicht in Hektik zu verfallen und zu meinen, die Welt geht gleich unter. In unserem Unternehmen beschäftigen wir uns mit den Zukunftsthemen wie dem industriellen Wandel 4.0. Wir haben über 1.000 Informatiker beschäftigt. 20 Prozent des Geschäfts laufen über Internetshops. Würth ist da auf der Höhe der Zeit. Aber wenn ich in die Wirtschaft insgesamt hineinschaue, dann gibt es natürlich Entwicklungen wie den Computerdruck von Befestigungs- und Metallteilen, die wir sehr genau beobachten. Hier reagieren wir nicht auf einen Zukunftstrend, sondern entwickeln ihn in Kooperation mit Wissenschaftlern aus den Hochschulen in unserem Innovationszentrum selbst mit.“

 

WARUM MAN NEUE WEGE IN DER GESELLSCHAFT ZWAR NICHT AUFHALTEN, ABER HINTERFRAGEN SOLLTE.

„Mit der Digitalisierung beschreiten ja nicht nur Unternehmen neue Wege. Auch die Gesellschaft unterliegt einem enormen Wandel. Aber mich muss das nicht mehr in allen Einzelheiten interessieren, denn mit 85 Jahren hat man den Hauptteil seines Lebens hinter sich gebracht. Natürlich ist die Entwicklung der Digitalisierung aller Lebensbereiche nicht aufzuhalten und die Kinder starren halt in ihre Handys. Vermutlich entdecken die Ärzte ein völlig neues Geschäftsfeld mit Reparaturen des Nackenwirbelbereichs. Ich finde es jedoch problematisch, wenn man Überlegungen anstellt, alte Kulturtechniken wie die Handschrift abzuschaffen. Ob das die Zukunft ist, wage ich zu bezweifeln.“

 

WARUM NICHT NUR EIN UNTERNEHMER, SONDERN AUCH DIE POLITIK VISIONEN FÜR NEUE WEGE BRAUCHT.

„Die Wirtschaft wäre verloren, wenn die Politik nicht gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen würde. Viele Gesetzgebungen sind wichtig und vernünftig, um Handel und Leben in einer Gesellschaft zu regeln. Doch in der Auslegung der Gesetze durch die Exekutive erfolgt eine gewisse Kleinkariertheit, die sich hemmend auf eine lebendige Wirtschaft auswirkt. Das jüngste Beispiel einer solchen Kleinkariertheit ist das Gesetz, dass ein Würstleverkäufer für jede Bockwurst, die er verkauft, einen Zettel ausdrucken muss. Das ist ein Ausdruck des Amtsschimmels in Mega-Reinkultur. Zum Glück ist Baden-Württemberg sehr wirtschaftsfreundlich aufgestellt. In unserem Regierungsbezirk Nord-Württemberg legen das Regierungspräsidium und der Landrat die gesetzlichen Vorschriften so aus, dass keine Hindernisse aufgebaut werden, sondern Dinge möglich werden. Mit unserer grünschwarzen Regierung können wir wirklich zufrieden sein, aber insgesamt muss die Politik hier durchaus auch offenere Wege gehen und die Regulierungswut überprüfen.“

 

WARUM DEUTSCHLAND MEHR ÜBERZEUGTE EUROPÄER FÜR NEUE WEGE BRAUCHT.

„Wir können beobachten, wie immer mehr Menschen von der großen Idee der Europäischen Union abrücken und neue Wege im nationalstaatlichen Denken zu erkennen glauben. Wir müssen begreifen, dass wir alle untergehen, wenn wir Europa nicht massiv fördern und unterstützen. Hier vermisse ich in Deutschland wirklich überzeugte Europäer, die Visionen haben und sich für die Union leidenschaftlich einsetzen. Was passiert, wenn die neue EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen für den von ihr ausgerufenen ‚Green Deal‘ und einen neuen Weg für das Klima wirbt? Die gewünschte finanzielle Beteiligung Deutschlands wird in Berlin direkt abgelehnt. Auch die Ideen von Emmanuel Macron für ein Europa der Zukunft, den ich für seine visionäre Kraft nahezu bewundere, lässt man in Deutschland abblitzen. Wir brauchen dringend eine Parteienzusammensetzung, die Europa fördert.“